Grenzüberschreitungen. Migrationsbiographien aus dem Landkreis Calw - Ausstellung »
»Es zieht mich nach Westen wie die tagmüde Sonne.« Die Worte des jugendlichen Hermann Hesse, der im Winter 1895/96 von einer Auswanderung nach Brasilien träumte, mögen stellvertretend für die Gefühle vieler Bewohner*innen des Nordschwarzwalds stehen, die ihr Glück im Lauf der Jahrhunderte jenseits der deutschen Grenzen suchten. Auch wenn der Kreis Calw nicht zu den stärksten Auswanderungsregionen Württembergs gehörte, verließen dennoch allein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zehntausende Menschen unsere engere Heimat. Während die meisten von ihnen nur wenige Spuren in den Geschichtsbüchern hinterließen, erlebten einige erstaunliche Aufstiegsgeschichten; andere erlitten dramatische, teils gar erschütternde Schicksale.
Gleichzeitig aber boten die Städte und Dörfer zwischen Enz und Nagold auch umgekehrt in der Vergangenheit immer wieder Einwanderern aus aller Welt Schutz vor Verfolgung, gesicherte Lebensbedingungen und neue wirtschaftliche Perspektiven. So gründeten bereits im Jahr 1700 aus Savoyen vertriebene Angehörige der religiösen Gruppierung der Waldenser östlich von Calw die Gemeinde Neuhengstett; nach Ende des Zweiten Weltkriegs wanderten vermehrt Arbeiterfamilien aus Süditalien zu. Die politische Wende von 1989 führte zur Niederlassung zahlreicher aus der Sowjetunion stammender Spätaussiedler vor allem im Raum Nagold; in jüngster Zeit wiederum fanden viele vor den Kriegsereignissen in Afghanistan, Syrien und der Ukraine geflohene Menschen freundliche Aufnahme in der Region. Auf die Spuren der »grenzüberschreitenden« Biographien bekannter Ein- und Auswanderer aus dem Nordschwarzwald begibt sich eine Ausstellung in der Volkshochschule Calw.