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Landschaft Welle
11.12.2020

Landrat weist Kritik an Vergabe deutlich zurück

Die Diskussion um die Vergabe der ÖPNV-Leistungen im Landkreis Calw ebbt derzeit nicht ab. Nach den jüngsten Vorwürfen des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer bezieht der Calwer Landrat klare Stellung: „Kreistag und Verwaltung haben Konzessionen nach geltenden Ausschreibungsregeln korrekt vergeben“

Der Landkreis Calw hat – nachdem der Kreistag mit Beschlüssen zur Linienbündelung 2007 und dem Nahverkehrsplan 2016 den Weg hierfür bereitet hat – kürzlich die beiden sogenannten Bündel „Mitte“ und „Südost“ im wettbewerblichen Vergabeverfahren ausgeschrieben und vergeben. Zu der sich daraufhin auch in der Presse ergebenden Diskussion hat sich Landrat Helmut Riegger jetzt deutlich positioniert.

Mit den Vergabeverfahren habe man den Weg zu mehr ÖPNV im Landkreis Calw eröffnet, so der Kreischef. Ohne ein solches Verfahren sei es dem Kreis nicht möglich, Mittel in die Hand zu nehmen und den ÖPNV dauerhaft finanziell zu unterstützen.

„Wir sind in dieser Frage nicht im luftleeren Raum, sondern unterliegen den europäischen und bundesrechtlichen Vorgaben, wie ein solches Verfahren abzulaufen hat. Das von uns durchgeführte Vergabeverfahren ist rechtlich einwandfrei“, so Riegger. Die Kritik des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer am durchgeführten Ausschreibungsverfahren sei inhaltlich und rechtlich nicht zutreffend. „Wir waren nicht der erste Aufgabenträger, der eine solche Vergabe durchgeführt hat. Klar ist – und darauf haben wir streng geachtet – dass im Rahmen solcher europaweiten Ausschreibungen keine Diskriminierung stattfinden darf.“

Nicht aus den Augen verlieren möchte der Kreischef dabei das Kernthema, weshalb es zur Ausschreibung kommt. „Wir wollen den ÖPNV im Landkreis verbessern und ausdehnen. Damit soll ein Angebot geschaffen werden, das den Verzicht auf den PKW oder wenigstens den Zweitwagen ermöglicht.“ Über dieses Ziel und auch den Weg dorthin seien sich Kreistag und Verwaltung immer einig gewesen.

Dem Argument, dass ein solcher Wettbewerb die örtlichen Verkehrsunternehmen benachteiligt, tritt Riegger deutlich entgegen. Es haben sich nahezu alle örtlichen Unternehmen an der Ausschreibung beteiligt. Bereits das zeige, dass diese in der Lage gewesen wären, die Leistung zu erbringen. Dass sich die Vorteile, die sich aus der Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort und reduzierten Anfahrtsstrecken in den Kalkulationen nicht niedergeschlagen haben, bedauert Landrat Riegger. „Wir haben gezielt Regelungen aufgenommen, die sich für ansässige Unternehmen positiv auswirken können.“ Unter anderem wurde das Bündel Mitte in zwei Lose aufgeteilt und aus Klimaschutzgründen wird für möglichst wenig Leerkilometer ein Bonus in Aussicht gestellt.

Auch darüber hinaus sieht Landrat Riegger nicht, dass der Kreis nicht mittelstandsfreundlich sei. In den vergangenen Jahren wurden die ansässigen Unternehmen bei vielen Themen wie z.B. der Einführung von Echtzeit aus Kreismitteln unterstützt.

„Wir haben die örtlichen Unternehmen, die eine anteilige Landesförderung erhalten haben, zusätzlich mit Kreismitteln unterstützt, um technisch auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Das ist für mich Mittelstandsförderung par excellence.“ Auch in den verschiedenen Insolvenzverfahren, die Busunternehmen im Landkreis in den vergangenen Jahren durchlaufen mussten, habe der Landkreis sich stets engagiert. „Diese Insolvenzen zeigen aber auch, dass im ÖPNV Einnahmen für die Unternehmen notwendig sind, um ÖPNV-Leistungen sicherzustellen.“

Die jetzt im Rahmen der Haushaltsberatungen geführte Diskussion um die Höhe des Kreiszuschusses ist für Landrat Riegger in der momentanen Situation nachvollziehbar. „Wir sind gerade mitten in einer Krise, von der wir heute nicht sagen können, wie sie die Haushalte des Kreises aber auch der Städte und Gemeinden im kommenden und vor allem in den darauffolgenden Jahren belastet. Daher ist es das Gebot der Stunde, dass wir sparsam mit unseren Mitteln umgehen und an allen Stellen – so eben auch im ÖPNV – nochmals nach Einsparpotential suchen. Dass dies gerade zu dem Zeitpunkt geschieht, an dem wir den ÖPNV massiv ausbauen wollten, empfinde ich selbst als unglücklich.“

Grundsätzlich richtet Riegger aber den Blick nach vorn. Man müsse die Diskussion jetzt hinter sich lassen und ins kommende Jahr schauen. „Die Bürgerinnen und Bürger warten auf die Information, wie der ÖPNV in großen Teilen des Landkreises ab Januar aussieht. Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, hier breit und umfassend zu informieren und vor allem mit einem besseren Angebot auch mehr Leute für den ÖPNV begeistern.“

Hintergrundinformationen

Nahverkehrsplan 2016

Mit dem Nahverkehrsplan legt der Kreistag die aus seiner Sicht notwendige Versorgung mit ÖPNV-Leistungen fest. Verkehrsunternehmen, die auf eigene Rechnung sogenannte eigenwirtschaftliche Anträge stellen, müssen die Vorgaben des Nahverkehrsplans berücksichtigen. Wird der Weg einer wettbewerblichen Vergabe eingeschlagen, dient der Nahverkehrsplan als Grundlage.

Im Nahverkehrsplan 2016 hat der Kreistag im Landkreis Calw die Grundprämisse der flächendeckenden Versorgung im ÖPNV mit mindestens einer stündlichen Verfügbarkeit festgelegt. Damit soll der ÖPNV als echte Alternative zum PKW ausgebaut werden.

Linienbündel

Unter Linienbündel versteht man die Zusammenfassung aller in einem Verkehrsraum betriebenen Linien. Ziel dabei ist die linienübergreifende und damit wirtschaftliche Produktion der Verkehrsleistung.

Der Kreistag hat 2007 im Linienbündelungskonzept fünf Bündel gebildet, in denen in den Folgejahren die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen einer zeitgleichen Vergabe durch die Harmonisierung der Genehmigungslaufzeiten geschaffen wurde.

Die jetzt vergebenen Linienbündel Mitte und Südost umfassen aufgrund ihrer Größe knapp 60 Prozent des Landkreises. Darin enthalten sind ganz oder teilweise die Städte und Gemeinden Calw, Nagold, Wildberg, Neubulach, Bad Teinach-Zavelstein, Bad Wildbad, Bad Herrenalb, Ebhausen, Egenhausen, Rohrdorf sowie Teile der Verkehre um Altensteig, Oberreichenbach, Neuweiler, Dobel und Höfen a.d.E. enthielten.

Unter „teilweise“ ist dabei zu verstehen, dass in einzelnen Kommunen aufgrund der verkehrlichen Verflechtungen Teilorte in unterschiedliche Linienbündel fallen können.

Wettbewerbliches Vergabeverfahren im ÖPNV

Sobald ein sog. Aufgabenträger für den ÖPNV – in Baden-Württemberg sind dies die Stadt- und Landkreise – finanzielle Mittel zur Bestellung von Verkehrsleistungen aufbringen möchte, muss dies im wettbewerblichen Verfahren erfolgen, dass europa- und bundesrechtlich eng reglementiert ist.

27 Monate vor der geplanten Betriebsaufnahme ist eine Vorabbekanntmachung europaweit zu veröffentlichen. Damit wird die Vergabeabsicht zum Ausdruck gebracht und die Leistung bereits ziemlich genau beschrieben.

Mit der Vorabbekanntmachung eröffnet sich für die Verkehrsunternehmen ein dreimonatiges Zeitfenster, in dem diese einen eigenwirtschaftlichen Antrag stellen können. Dies bedeutet, dass die Unternehmen die Möglichkeit sehen, den gewünschten Verkehr ohne Bestellerentgelt des Aufgabenträgers allein aus Fahrgeldeinnahmen und den sog. Fahrgeldsurrogaten (Ausgleichsleistungen für z.B. rabattierte Fahrscheine) anzubieten.

Geht ein solcher Antrag ein, ist das Verfahren an dieser Stelle beendet, es kommt nicht zur Ausschreibung. Andernfalls kann der Aufgabenträger ein Jahr nach der Vorabbekanntmachung die Vergabe – ebenfalls wieder europaweit – veröffentlichen.

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