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Landschaft Welle
24.02.2022

Natur genießen und Rücksicht nehmen

Hohe Besucherzahl im Wald hat Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenwelt

Wer kürzlich auf einer Wanderung im Nationalpark unterwegs war, wird sich gewundert haben, warum einige der Wege plötzlich abgesperrt sind. Nach kurzer Überraschung werden die Besucher aber mittels Schilder aufgeklärt – es handelt sich um die Ruhezone des Nationalparks. Die Parkplätze an der Bundesstraße sind voll und der Besucherdruck ist spürbar. Deshalb wurde hier eine Maßnahme ergriffen, um einen ungestörten Lebensraum der Tier- und Pflanzenarten auf diesen Flächen zu gewährleisten.

Wie sieht es aber in den anderen Waldgebieten im Nordschwarzwald aus? Hier gilt das freie Betretungsrecht und das auch aus bestimmten Gründen. Bei vielen Menschen entsteht bei der Erholung zwischen den Bäumen der Bezug zum Lebensraum Wald. Bei vielen Waldliebhabern entwickelt sich ein rücksichts- und verständnisvoller Umgang mit diesem einzigartigen Ökosystem. Denn was man selbst braucht und nutzt, behandelt man sorgsam. Es entsteht ein eigener Waldkodex - freiwillige Verhaltensregeln, die man sich selbst aufgrund erlangter Informationen und Erkenntnisse auferlegt. Nicht umsonst genießt die Waldpädagogik einen sehr hohen Stellenwert. Und das sowohl bei der Landesforstverwaltung (zuständig für Kommunal- und Privatwald) als auch bei ForstBW (zuständig für den Staatswald).

Auch die freiwillige, engagierte Jugendarbeit der Kreisjägervereinigungen mit zahlreichen Führungen und Veranstaltungen leisten einen enormen Beitrag zum Wald- und Wildverständnis. Dieser Waldkodex basiert auf der Erkenntnis, dass es in diesem Bereich mehrere Akteure gibt: Erholungssuchende, Jägerinnen und Jäger, Waldbewirtschaftende, oder natürlich der Wald mitsamt all seiner Bewohnerschaft selbst. Ein reines Ellenbogendenken ist nicht zielführend und ruft unweigerlich Konflikte hervor.

Eine Gruppe von Waldnutzern, auf die aktuell besonders viel Rücksicht genommen werden sollte, sind die Vögel und Wildtiere. In den rauen Wintermonaten von Dezember bis März finden die Bewohner des Waldes kaum Nahrung, ausreichende Deckung ist spärlich und die Kälte zehrt an den letzten Reserven. Die meisten Vögel ziehen im Winter in den warmen Süden. Doch es gibt auch zahlreiche gefiederte Vertreter, die den harschen Bedingungen trotzen und ihren Winterurlaub lieber im heimischen Schwarzwald verbringen.

Doch nicht nur das vom Aussterben bedrohte Auerhuhn kämpft in unseren Wäldern ums Überleben. Auch viele andere heimische Vögel sind mittlerweile selten geworden. So hört man das „buizzen“ der Waldschnepfen mittlerweile nur noch selten durch den winterlichen Schwarzwald hallen. Kleine insektensuchende Singvögel, wie Rotkehlchen und Zaunkönig, haben es gerade im Winter schwer.

Besonders hart betroffen von Störungen sind auch große Pflanzenfresser. Als Fluchttiere meiden Sie als gefährlich empfundene Gebiete komplett oder zeitweise. Menschliche Aktivitäten wie Freizeitnutzung, Waldbewirtschaftung oder Verkehr sorgen für Beunruhigung in Wildtierlebensräumen. Entscheidend ist dabei die Art der Störung durch den Menschen. Regelmäßig auftretende, berechenbare und vorhersehbare Störungen, wie die auf ausgewiesenen Waldwegen, können von Wildtieren besser eingeschätzt und toleriert werden. Studien, in denen das Verhalten von Rothirschen mit GPS-Halsbändern untersucht wurde, zeigen, dass die Tiere die Wege in solchen Fällen tagsüber meiden und erst nachts aufsuchen. Besonders problematisch sind dagegen unberechenbare Störungen, die örtlich und zeitlich unregelmäßig auftreten. Dazu gehören beispielsweise Erholungssuchende, die querfeldein im Wald unterwegs sind. Eine Folge von häufigen, unberechenbaren Störungen ist ein erhöhter Nahrungsbedarf, bedingt durch die für das Flüchten verbrauchte Energie und ein dauerhaft hohes Stresslevel. Dies kann auch zu deutlich mehr Verbiss in Waldbeständen führen. In Gebieten mit starken Störeinflüssen kann der Energieverbrauch eines Tiers um ein Vielfaches ansteigen.

Zum Schutz unserer Tierwelt und des Waldes selbst ist daher die Umsicht eines jeden einzelnen gefragt. Die ausgewiesenen Forst- und Wanderwege sollten nach Möglichkeit nicht verlassen werden. Insbesondere Hunde können zu einer starken Beunruhigung führen, wenn sie frei durch den Wald laufen. Also am besten in Hör- und Sichtweite führen, oder gleich an die Leine nehmen. Kritisch sind besonders die Dämmerungs- und Nachtzeiten. Hier haben viele Wildtiere ihre Hauptaktivitätszeit und widmen sich nach einem langen Tag in ihrem Versteck der dringend notwendigen Nahrungsaufnahme. Gerade in Corona-Zeiten hat der Besucherdruck im Wald signifikant zugenommen. Aber auch die neuen Waldbesucher sollten sich den Auswirkungen ihres Handelns bewusst sein und sich entsprechend dem ungeschriebenen Waldkodex verhalten.  Und dies nicht zur Winterzeit, sondern auch zu anderen sensiblen Zeiten im Jahresverlauf, wie zur Brutzeit, Jungenaufzucht, Balz- oder Brunft.  Auch unsere Wildtiere sehnen sich nach Erholung.

Weitere Informationen zum Thema gibt es bei der Fortschlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg unter www.fva-bw.de.

BU: Die heimliche Waldschnepfe vertraut völlig auf Ihre Tarnung. Doch gegen freilaufende Hunde im Wald ist selbst sie machtlos. Regelmäßige Beunruhigungen kosten den seltenen Vogel seine letzten Reserven.

Foto: Landratsamt Calw, Marcel Püls


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