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Landschaft Welle
06.02.2018

Jüdische Häftlingsfrauen verrichteten in Calw Zwangsarbeit

Ausstellung „Freiheit – so nah, so fern“ erinnert an KZ-Außenkommando Calw

Seit 1. Februar ist im Landratsamt Calw die Ausstellung „Freiheit – so nah, so fern“ zu sehen. Sie befasst sich mit dem Ende des Konzentrationslagers (KZ) Natzweiler im Elsass und seinen Außenstellen in Südwestdeutschland, von denen sich auch zwei in Calw und bei Höfen befanden.

Zur Ausstellungseröffnung konnte der Erste Landesbeamte des Landkreises Calw, Zeno Danner, am Donnerstagabend zahlreiche interessierte Besucher im Foyer Haus A des Landratsamts begrüßen. Er bezeichnete die Konzentrationslager als „die Perversion der Verwaltung“. Gerade die Erinnerungskultur an diese Schrecken, die von einigen – auch deutschen Parlamentariern – verharmlost oder gar geleugnet würden, seien eine Stärke Deutschlands. Horizontale und vertikale Gewaltenteilung in Deutschland und die engen Verflechtungen innerhalb der Europäischen Union seien die richtigen Schlüsse, die man aus den Schrecken dieser Zeit gezogen habe. Damit müsse man achtsam umgehen, um auch in Zukunft Derartiges nicht wieder zuzulassen.

Arno Huth, Vorstandsmitglied der KZ-Gedenkstätte Neckarelz, führte in die Wanderausstellung ein, in deren Mittelpunkt die Lebensgeschichten von Häftlingen stehen. Sie wurde von einem deutsch-französischen Team erarbeitet, ist durchgehend zweisprachig konzipiert und wird von der Landeszentrale für politische Bildung verliehen.

Nach dem Vormarsch der Alliierten wurde im September 1944 das KZ Natzweiler im Elsass auf zahlreiche neu geschaffene Außenstellen im rechtsrheinischen Gebiet verlegt. Insgesamt 52.000 Häftlinge durchliefen das KZ und seine Außenlager. Kreisarchivar Martin Frieß hat die Ausstellung um die KZ-Außenkommandos Calw und Neuenbürg ergänzt. Im Rahmen der Ausstellungseröffnung erläuterte er den Beginn der im März 1941 gegründeten Luftfahrtgeräte-GmbH (Lufag). Das Calwer Werk in den Kimmichwiesen umfasste drei große Fabrikgebäude (bekannt als „Bauknecht-Areal“), die mit einem Tarnanstrich versehen wurden. Wie Frieß zu berichten wusste, wurden dort von Beginn an Zwangsarbeiter eingesetzt, bei denen es sich vor allem um ausländische Kriegsgefangene handelte. Ihre Unterbringung erfolgte meist in Baracken neben dem Fabrikgebäude.

Das „KZ-Außenkommando Calw“ bestand von Mitte Januar bis Anfang April 1945 mit 199 jüdischen, meist aus Ungarn und Polen stammenden, KZ-Häftlingsfrauen. Diese wurden zwar streng bewacht und mussten hart arbeiten, im Vergleich zur „Hölle“ von Auschwitz und auch den Zuständen in Rochlitz, wo sie vorher waren, erging es ihnen Frieß zufolge in Calw aber relativ gut. So scheint es keine direkten körperlichen Misshandlungen durch die etwa 15 SS-Wachmänner gegeben zu haben – wohl aber verbale Herabwürdigungen und Beleidigungen. Im April mussten sich die Frauen schließlich auf einen abenteuerlichen Evakuierungsmarsch machen, der für sie im Allgäu mit der Befreiung endete.

Mit der Einspielung eines Interview-Ausschnitts von 1988 ließ Frieß eine ehemalige Häftlingsfrau zu Wort kommen. Er hob insgesamt die Bedeutung der Erinnerungsarbeit heraus. „Die teilweise verbreitete Geschichtslosigkeit darf nicht zu Dummheit führen“, mahnte der Kreisarchivar an, denn man benötige die Kenntnis der Geschichte für das Verständnis der Gegenwart. Als spontanen Beitrag brachte der Sammler Karl Rentschler zwei Hydraulikteile mit, die damals bei der Lufag produziert wurden. Sie wurden inzwischen als Leihgabe in die Ausstellung integriert. Schließlich stellte Wolfgang Isele das von ihm 1990 geschaffene Relief zur Erinnerung an die Häftlingsfrauen vor, das in der Ausstellung gezeigt wird.

Musikalisch wurde die Vernissage von Emilie Caupin (Gesang) und Karin Kriese (Violine) mit berührenden Liedern aus Konzentrationslagern umrahmt.

Die Ausstellung kann noch bis zum 9. März 2018 zu den üblichen Öffnungszeiten des Landratsamts (Mo-Mi 8-17 Uhr, Do 8-18.30 Uhr, Fr 8-12 Uhr) im Foyer Haus A, Vogteistraße 42-46, Calw, besichtigt werden. Führungen für Gruppen können unter der Telefonnummer 07051 160-314 vereinbart werden.

Zudem werden im Rahmen der Ausstellung folgende Vorträge im Foyer Haus A des Cal-wer Landratsamts angeboten:

8. Februar 2018, 19 Uhr: Dr. Karl Mayer: Georg Wurster, Kreisleiter in Calw. „Ein kerniger Sohn unserer engeren Schwarzwaldheimat“

22. Februar 2018, 19 Uhr: Gabriel Stängle: Ausgrenzung und Verfolgung von Juden im Kreis Calw zwischen 1933 und 1945.

8. März 2018, 19 Uhr: Martin Frieß: Vom Reichssicherheitsdienst in ein evangelisches Gymnasium. Die Geschichte des Eugen Steimle aus Neubulach.

Kontakt

Valerie Nußbaum
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